Ehe es mich nach Deutschland verschlug, habe ich 20 Jahre Tresdorf erlebt. Wenn ich an meine Kindheit und Jugendzeit in Tresdorf zurückdenke, fällt mir so manches ein. Ich
erinnere mich gerne an Ferientage auf dem Marterle oder auf der Kofleralm (bei der Vrona), an Spaziergänge in die Tresdorfer Leitn oder in die Auen
sowie an Schlittenfahrten vom Schwersberg bis zur Haltestelle - meistens mit meiner Freundin Anni. Natürlich verbinden mich mit dem Dorf in erster Linie meine
Verwandten und Freunde und vor allem meine verstorbene Mutter. Immer wieder fällt mir auch “mein” Gröflitzer-Vater ein. Er war für mich ein Großvater, wie ich mir keinen
besseren wünschen konnte. Wie gerne habe ich seinen Erzählungen von “früher”, vom Kaiser, vom Ersten Weltkrieg und von Südtirol gelauscht. Oft habe
ich ihn beim Kühehüten begleitet. Dann hat er meistens ein Feuer gemacht, und wir haben in der Glut die frisch ausgegrabenen Kartoffeln gebraten, oder er hat mir eine Pfeife
geschnitzt. Vom Birnbaum, der im Gröflitzer-Garten gestanden ist, bekam ich immer die erste reife Frucht, an deren Wohlgeschmack ich mich noch gut erinnern kann.
In Erinnerung habe ich auch noch die Sonntagnachmittags-Treffen mit dem Kofler und dem Plaschnig. Die Herren tranken ihr Bier und ich bekam immer ein “Krachele”. Wir saßen meistens auf der
Kofler- oder Gröflitzer-Bank. Erstere bildete meist den zentralen Versammlungsplatz, auf dem sich nach getaner Arbeit und an Feiertagen die “Unterdorfer” trafen. Es wurde dann immer über frühere
Zeiten und das aktuelle Tagesgeschehen diskutiert. Die Krönung des Tages war für mich, wenn die Bauern am Abend zur Milchsammelstelle beim Kofler kamen, die der Gröflitzer-Vater
verwaltete. Ich kann mich noch gut an das Gerät zum Messen der Milchmenge erinnern und daran, dass mir der “Plaschnig-Esel” immer besonders leid getan hat, weil er so viele
Milchkannen schleppen musste. Später wurde der Esel durch einen Traktor abgelöst.
Wenn ich an so manche in Tresdorf erlebten Geschichten denke, beschleicht mich heute noch eine leichte Sentimentalität, die vielleicht jeden Ausgewanderten ab und zu befällt.
erzählt von Ilse Bülow